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Vairagya

Vairagya 11.06.2011

Vairagya वैराग्य (Entsagung/Enthaltung) stammt von वि „vi“ (abgesondert, entfernt) + राग „rāga“ (Leidenschaft, Begierde). Am Wortende wird das Suffix य „ya“ angehängt, zudem ändert sich im Sanskrit durch die Vriddhi-Ableitung die Wortwurzel von „i“ zu „ai“. Das gibt es z.B. auch mit Triloka zu Trailokya, Triguna zu Traigunya, Subhaga zu Saubhagya usw.

Wenn man das Wort bis zur ursprünglichen Wurzel zerlegt, so stammt „rāga“ von der Wurzel रञ्ज्  – rañj (Färbung). D.h., dass im Gegensatz zur Durchsichtigkeit und Sauberkeit eine Färbung erfolgt durch die „Farben der Gefühle“. Die Farbe kann auch in Verbindung stehen mit der varṇa वर्ण, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Klasse, wobei Varna auch mit Farbe übersetzt werden kann.

Dabei gibt es sogar Konkretisierungen: Brahmanen werden spirituell gesehen mit der weißen Farbe verknüpft, Kshatriyas mit der roten, Vaishyas mit der gelben und Shudras mit der schwarzen. Sie haben ihre eigenen Verhältnisse, ein Vertreter einer Varna könnte sich z.B. nicht mit dem einer anderen an einen Tisch setzen, da einige Kshatriyas rajasige Speise zu sich nahmen, wovon die Brahmanen sich fernhielten, usw. Die Farbe einer Energie überwiegt, und der Mensch lebt in dieser und entwickelt sich. Es ist kein Zufall, dass Varna von वृ vṛ (bedecken) entstammt, und Vairagis (Nachfolger des Vairagya-Pfades) diese „Bedeckungen“ von sich werfen; in der Regel sind das die, welche die Sphären der Begrenzungen verlassen haben, also Sannyasins, Avadhutas, usw.

Enthaltung ist eine der wichtigsten Eigenschaften Gottes. Den Vorstellungen der Nathas zufolge wird Yoga zu einer vollwertigen Praxis, wenn man jegliche Identifikation mit dem Weltlichen hinter sich lässt. Menschen, die eine Sadhana praktizieren, machen das oft aus Ehrgeiz, aus Stolz über ihre theoretischen spirituellen Erkenntnisse. Sie genießen ihr feines Ego, weil sie Yoga machen. Aus diesem Grund kann man nur durch Entsagung zu einem echten Avadhut und einem entrückten Yogi werden.

Vairagya und die Gesellschaft

Zudem ist Vairagya ohne soziale Realisierung undenkbar, weil selbst das Leben ein Mittel ist, um die Entsagung des Praktizierenden zu prüfen, was es auch zur Basis (“Adhara”) für die Entwicklung dieser Eigenschaft macht.

Die Gesellschaft ist instabil, es gibt permanente Veränderungen, und deshalb muss man Bindungen an verschiedene Erscheinungen der Welt meiden können um seine Ruhe zu finden. Wenn wir das Gefühl bekommen, dass wir unter die Räder der Welt gekommen sind, ohne dies selbst zu bekennen, so ist das ein Zeichen davon, dass wir sie nicht richtig wahrnehmen.

Um die Illusion des sozialen Umfeldes zu überwinden, ist es nicht genug, einfach nur Yogaunterricht zu besuchen, da das nur eine Vorbereitung für gewichtigere Arbeit ist, und diese Arbeit ist ein wahres Yoga.

Das Vorhandensein innerer Vairagya ist eines der wichtigsten Kriterien dafür, dass der Mensch eine wirkliche Yoga-Sadhana und nicht Yoga zum Abnehmen praktiziert. Jedoch sollte man Schritt für Schritt vorgehen. Der Praktizierende sollte zuerst seinen physischen Körper in Ordnung bringen, seine Gesundheit verbessern, seine allgemeinmenschlichen Probleme lösen und erst dann mit der Arbeit an den inneren Aspekten seines “Ich” beginnen, weil es unmöglich ist, Entsagung zu erlernen, wenn man nicht versteht, wozu man es braucht und warum es das wert ist.

Die Natha- und Tantratexte sprechen über eine Verbindung von Yoga und Bhoga. Die Welt ist von Bhoga überfüllt (Lüste und Genüsse) und Yoga ist auch zu einem Teil dieser Welt geworden, obwohl es sein Wesen ist Illusionen zu überwinden, was zu Sat-Chit-Ananda (Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit) und Kaivalyananda (höchster Zustand der Gottähnlichkeit) führt, wonach der Praktizierende versteht, wer er in Wirklichkeit ist. In der Welt gibt es viele zeitweilige Gelüste, und sie sind auch wahr, aber ihre Wahrheit ist eben auch vergänglich, deshalb darf man diese Wahrheit nicht idealisieren, selbst wenn es sich scheinbar auf die Motive des Tantra und Gnostizismus bezieht.

Die Praxis ist das, was den Praktizierenden adäquat und sein Vorgehen effizient macht, sie lehrt, wie man mit minimalem Kräfteaufwand ein gutes Ergebnis erreichen kann. Yogis sind reife Menschen, deshalb brauchen sie keine abstrakten Theorien, theoretisches Sannyasa und Vorstellungen über die höchste Realität sind ihnen nichts wert, sie nehmen sie holistisch wahr. Tatsächlich entsagen sich Yogis nicht von der Welt, sondern von zwanghaften zeitlich begrenzten Überzeugungen und Glaubenssystemen.

Vairagya ist unserer Natur eigen und der Guru kann sie uns öffnen 

Das Verhältnis zu Vairagya ist zum Teil oft negativ geprägt, weil sie zu einem Teil der Gesellschaft und nicht zu einer Charaktereigenschaft geworden ist. In Wirklichkeit ist es die wahre Natur eines Lebewesens, demnach muss sie nicht anerzogen werden, Vairagya erwacht, wenn der Mensch auf natürliche Weise seelische Reife erreicht.
 
Entsagung in einem Schüler kann der Guru erwecken, welcher ein reines nicht-duales Bewusstsein realisiert hat und der seinen Schülern das wünscht, was er sich selbst wünscht. Wenn der Guru eine realisierte reine Seele ist, dann sieht er das Göttliche in seinem Schüler und er erweckt das Göttliche. Dank weiterer Praxis realisiert der Schüler diesen Zustand komplett.
Für einen richtigen Schüler ist der Guru transzendent, und wenn der Schüler an dieser Ansicht festhält, so kann er seine wahre Natur aufdecken und die Entsagung kommt von selbst.

Menschliche Wesen sind sehr schwach, sie sind abhängig vom sozialen Umfeld, vom Klima, von ihren Sinnen und vom Körper und sind orientiert auf die Außenwelt. Aus diesem Grund kann niemand ein Jivanmukta werden, der seinem unvollkommenen Verstand folgt. Wir können etwas Erhabenes auf Basis empirischer Erfahrung verstehen, die uns auf etwas noch Höheres hinweist.

Nathas lehren, dass alles Vollkommene immer mit uns war, ist und sein wird, wir können es jedoch aufgrund unseres Karmas einfach nicht wahrnehmen, deshalb müssen wir lernen das Höchste in dieser Welt zu sehen. Wenn man das Höchste im Guru sieht, dann wird das zurückgespiegelt. Sich als Siddha wahrnehmen kann nur derjenige, der in einem anderen einen Siddha gesehen hat und solche Wahrnehmung sollten gerade unvollkommene Menschen pflegen.

Doch in dieser Welt neigen die unvollkommenen Wesen unter dem Einfluss der Maya dazu sich anders zu verhalten, wobei sie versuchen die höchste Wahrheit in raffinierten Methoden zu finden mit der Hoffnung, dass sie das zur Realisation führt, während sie diese Methoden aber nicht praktisch umsetzen.

Aus diesem Grund interessierten solche Siddhas wie Gorakshanath keine äußerlichen Namen der Traditionen und philosophischen Lehren. Ein Aughar, der das Wesen von allen Lehren begriffen hat, wird sogleich zu einem Avadhuta.

Der Avadhuta steht außerhalb von allen Sampradayas, aber er ist offen für alle Lehren, weil er ein wahrer Vairagi ist. Sein Bewusstsein ist leer, deshalb hat er ein vollständiges Bild von der Welt.

Jemand, der die ganze Welt gesehen hat, versteht, dass es keinen Sinn hat, sie gegen einen Teil auszutauschen, deshalb wird Vairagya für einen Yogi zu einer natürlichen Sache. Der Vairagi ist einem König ähnlich, der sich in einen Bettler verkleidet hat, der aber in jedem Moment fähig ist, dieses Spiel aufzulösen, weil er sich immer bewusst darüber ist, was ewig und was vorübergehend ist.

Da für die Vertreter der Varnas Vairagis und Sannyasis wie „Menschen-Portale“ in eine andere Welt der Freiheit gelten, so werden sie in der indischen Welt hierarchisch wie ein Guru angesehen. Genau deshalb könnte sich so manch einer wundern, wenn er in Indien folgendes Bild sehen kann: Der Sadhu im Tempel wird von Brahmanen bedient, welche meist wahrscheinlich klüger sind als der Sadhu. Der Sadhu beherrscht eventuell nicht besonders gut Sanskrit, Karma-Kanda, usw. Oder, da Yoga auch in Indien heutzutage für weltliche Menschen verwestlicht wurde, kann man sehen wie ein Yoga-Acharya, welcher den Indern Gymnastik beibringt, einen Sadhu verehrt, welcher sich nicht in Asanas verbiegt. Denn Yoga ist traditionell eher mit der „durchsichtigen, reinen Welt und Ruhe“ verbunden, und nicht mit „leidenschaftlicher Gymnastik“. In Indien ist trotz der äußerlichen westlichen Elemente, allgemein irgendwo auf der „spirituell-genetischen“ Ebene immer noch genauestens klar, was echtes Yoga ist und was nicht. Sie verstehen das mechanisch auf Basis des Prinzips, das ich soeben nannte. Diejenigen, die ihr Leben nicht kennen, haben massig Fragen und Unverständnis, weshalb ein „gut gebauter Yogi“ in Indien, ein kluger Brahmane usw. einen dicken Sadhu verehren und ihm dienen können, der hin und wieder auch mal etwas Ganja raucht usw. Das sind jedoch alles Details, und es gibt Dinge, welche sich auf einer höheren Ebene befinden, und sie sind verpflichtet diese zu befolgen. Sie verbeugen sich vor Kraftorten (Tempel, in denen viel gebetet wurde und wird, sowie ihrer Erde) oder vor Menschen, welche viel beten (wenn sie mit den Händen ihre Füße berühren, und danach den eigenen Kopf). Denn dies erschafft einen „Verbindungskanal“ mit einer höheren Dimension, welche durch diese Phänomene in Erscheinung tritt. Diese Realität steht über Farben, Düften, Geschmäckern usw. Sadhus, Gurus, fortgeschrittene Sadhakas lehren mit der Energie dieser Welten, deshalb müssen sie auch nicht sonderlich gebildet sein. Sie lehren mit ihrer Ruhe.

Was ist vollkommene Vairagya?

Vollkommene Entsagung erscheint dem westlichen Menschen paradox, da dieser historisch gesehen mit dem abrahamitischen, dualen Bewusstsein programmiert ist (Ausnahmen könnten hier die Kabbala, Sufismus, usw. sein). Das indische Bewusstsein kombiniert entgegengesetzte Dinge, und dafür gibt es fundierte Doktrinen, welche über Jahrhunderte geprüft sind. Wie kann man z.B. im Christentum den fanatischen Glauben mit dem manchmal nach außen hin erscheinendem zynischen Verhalten verbinden? Oder wie kann man die Darbringung unreiner Substanzen für Gottheiten als höchste Form der Verehrung ansehen? Selbst das Fluchen (welches bei den Indern auch fortgeschritten ist) kann eine besondere Form der Göttlichkeit sein, hierzu kann man sich einige Vorschriften den Pashupatas, Kapalikas usw. anschauen. Doch natürlich muss man bei alledem sehr vorsichtig sein, und ordnungsgemäß das Wesen solcher Elemente lernen, die Doktrin.

Kurz zusammengefasst könnte man sagen: Vollkommene Entsagung ist die äußerste Zurückhaltung vom Äußerlichen, verbunden mit maximaler Versunkenheit in das Äußere (was in der Regel natürlich und leicht passiert). Ein zweiseitiger Prozess, bei dem jedoch stets der erste Zustand über dem zweiten stehen sollte, trotz ihrer gegenseitigen Wechselwirkung. Das eine ist das „testende“, „regulierende“ Element des anderen.


Author: Yogi Matsyendranath Maharaj

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